Achtung: Hypothese!
Bei einem unerfüllten Kinderwunsch wird heutzutage also die Qualität der Spermien des Wunschvaters untersucht. Und zwar ausschließlich unter Laborbedingungen.
Diese Bewertung erfolgt allerdings auf einer Hypothese. Denn man geht davon aus, dass Spermien, die zahlreich sind, schön geformt, möglichst schnell und langlebig auch am besten zur Zeugung geeignet sind. Das klingt ja auch plausibel. Wissen tun wir das aber nicht!
Wir nehmen es nur an. Um es genau zu wissen, müsste man in einer Vergleichsgruppe zeugungsfähiger Väter für einen Versuchszeitraum genau in dem Augenblick eine kleine Samenprobe entnehmen können, aus der im Anschluss eine Befruchtung hervor geht. Das kann man logischerweise nicht, das ist unmöglich. Deshalb bleiben wir also bei doch eher einer wahrscheinlichen Hypothese.
Man vermutet, dass viele Spermien, die möglichst besonders schnell sind, gute geformt sind und lange leben mit größerer Wahrscheinlichkeit zeugen können, als wenige kerngesunde und formschöne Spermien, die sich weniger und langsamer bewegen. Man weiß es aber nicht.
Insgesamt ist man mit der Erforschung der Zeugungsfähigkeit der Spermien heute kaum einen Schritt weiter. Man ist in der Lage, das Ejakulat zu untersuchen und die Untersuchungsergebnisse zu benennen.
Die Auswertung hinsichtlich einer Zeugungsprognose geschieht dann wieder auf Annahmen. Das ist die Erklärung dafür, dass Spermiogramme etwa gleichbleibender Qualität in verschiedenen Praxen oft sehr unterschiedlich bewertet werden. Wundern Sie sich bitte darüber nicht, es liegt in der Natur der Sache an sich.
Regelrecht definiert sind dagegen die Referenzwerte, die aus einem unter Laborbedingungen gewonnenen Ejakulat gewonnen werden können. Daraus können dann Diagnosen abgeleitet werden. Das Wörtchen Diagnose steht übrigens für „Erkenntnis“- nicht etwa für „Urteil“.
Diese Erkenntnisse sind heute glücklicherweise vereinheitlicht.
Schauen wir uns die geltenden Eckpunkte einer Qualitätsbewertung also gerne an, wohl wissend, dass diese in erster Linie der einheitlichen Kommunikation der behandelnden Ärzte und des medizinischen Systems dienen, und erst in zweiter Linie Aussagen über eine mögliche Zeugung in der Zukunft zulässt.
Tafel: Referenzwerte und Begriffe
Die Auswertung eines Spermiogramms erhält man in schriftlicher Form- und versteht meist nur Bahnhof. Hier die wichtigsten Werte und Begriffe:
Nach der WHO sollte ein Spermiogramm sich in etwa diesem Rahmen bewegen:
Ejakulatvolumen mehr als 2ml
pH-Wert ca 7,2
Spermienkonzentration mehr als 20 Mio. Spermatozoen pro Milliliter Ejakulat
Spermiengesamtzahl mehr als 40 Mio. Spermatozoen
Beweglichkeit mehr als 50 %progressive bewegliche Spermien der Kategorie a+b
mehr als 25% schnell progressiv bewegliche Spermien der Kategorie a
Morphologie aktuell kein bestimmter Grenzwert festgelegt
(Stand 2010)
Anteil lebender Spermien (Eosin-Test) mehr als 50%
also fällt aus dem Rahmen bei:
Antikörper mehr als 50% Spermien mit anhaftenden Partikeln
Leukozyten mehr als 1 Mio. pro Milliliter
Glossar
Zur Beurteilung des Spermiogramms hat die WHO diese Namensgebung festgesetzt:
Normozoospermie das normale Ejakulatparameter
Oligozoospermie weniger als 20 Mio. Spermatozoen pro Milliliter Ejakulat
Asthenozoospermie weniger als 50% progressiv bewegliche Spermien der Kategorie a +b und weniger als 25% schnell progressiv bewegliche Spermien der Kategorie a
Teratozoospermie verminderter Anteil morphologisch normaler Spermatozoen
OAT-Syndrom
Oligoasthenoteratozoospermie Kombination aus zu niedriger Konzentration, unzureichender Beweglichkeit und vermindertem Anteil normaler Morphologier der Spermatozoen
Azoospermie Gar keine Spermatozoen im Ejakulat vorhanden
Aspermie kein Ejakulat
Glossar: weitere Fachbezeichnungen
Multisemie mehr als 6 ml Ejakulatvolumen
Hypospermie weniger als 2 ml Ejakulatvolumen
Kryptozoospermie weniger als 1 Mio. Spermien pro Milliliter Ejakulat
Hyperzoospermie mehr als 150 Mio. Spermien pro Milliliter Ejakulat
Polyzoospermie mehr als 200 Mio. Spemien pro Milliliter Ejakulat
Nekrozoospermie keine Beweglichkeit der Spermien