Fruchtbare Väter
Deutschland ist im Kinderwunsch-Boom. Während in früheren Zeiten Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch sehr auf sich allein gestellt waren und ihre heimliche Sehnsucht nach einem Baby zumeist hinter verschlossenen Wohnungstüren verborgen blieb, outet sich heute eine ganze Nation: Wir wollen ein Baby!
Fernsehsendungen im Stile von „Deutschland wird schwanger“ lassen uns nun einblicken in die komplizierten und nicht immer leicht zu ertragenden Gefühle von Wunscheltern; Werbematerialien und Zeitungsannoncen der Fertility-Zentren begegnen uns alltäglich und immer wieder neue Studien untersuchen Zusammenhänge und Ursachen einer offensichtlich immer kraftloser werdenden Zeugungsfähigkeit junger Paare. Doch niemand mag sich bisher wirklich auch um die Männer kümmern. Niemand auch ihre Sicht, ihre Sorgen und Nöte verinnerlichen. Und davon gibt es viele: Viele Männer und auch viele Nöte.
Europas westliche Länder vermelden eine signifikante Abnahme der Spermienqualität und zwar in direkter Relation zum Geburtsjahr: Je später unsere Herren der Schöpfung geboren sind, desto größer sei deren Risiko, einen Hodenhochstand zu entwickeln, vor dem 50. Lebensjahr an Hodenkrebs zu erkranken und vor allem die Disposition, eine Spermienqualität zu erlangen, die äußerst zu wünschen übrig lässt, heißt es da beispielsweise.
Wer vermag hier noch zu sagen, ob all diese Studien zutreffen, oder ob wir es einfach nur mit einer vorrübergehenden Modetrend zu tun haben? Ist es sinnvoll, eine Generation junger Menschen schon im weiten Vorfeld ihrer eigenen Kinderwunschzeit mit der angeblich auf sie zukommenden Zeugungsproblematik zu konfrontieren? Oder ist es, im Gegenteil sinnvoll, möglichst früh auf diese Umstände hinzuweisen, um präventiv und rechtzeitig dagegen steuern zu können?
Liebe Leserinnen und Leser- auch ich kenne die Antwort darauf nicht. Doch in meiner langjährigen Erfahrung in der Begleitung von Wunscheltern auf ihren vielfältigen Wegen zum Kind fällt mir eines auf: Alle Aufmerksamkeit gilt hauptsächlich der Frau!
Sie ist es, die oft schon lange Zeit, bevor sie überhaupt mit ihrem Partner darüber spricht, durch Gynäkologen ihren Zyklus überprüfen lässt, einen Hormonstatus erstellt und die Wahrscheinlichkeit einer Empfängnis einschätzen lässt.
Für sie steht eine beeindruckende Auswahl an Möglichkeiten zur Verfügung auch für den Fall, dass eine Empfängnis medizinisch unterstützt werden soll. Sei es eine der vielen verschiedenen Hormon-Therapien, seien es chirurgische Eingriffe, Bauchspiegelungen oder gar eine Insemination, eine IVF oder eine ICSI: Die Frau steht im Mittelpunkt sowohl der medikamentösen Behandlung einer Fruchtbarkeitsstörung und auch der chirurgischen Assistenz der Befruchtung an sich. Mittlerweile ist auch ihre emotionale Situation von Bedeutung und erfährt immer mehr Anerkennung. Zahlreiche alternative Therapieansätze unterstützen die Kinderwunschfrau von heute, so dass sie sich auf ihrem Weg zum Kind sowohl körperlich als auch emotional vielfältige Hilfe hinzu ziehen kann. Ihre Situation hat sich deutlich verbessert im Vergleich zu ein oder zwei Jahrzehnten zuvor.
Nicht so für den Mann. Oft ist die Auswertung seiner Spermienqualität mittels eines sogenannten Spermiogramms so ziemlich alles was er selbst zu diesen meist enorm vielen Diagnosen und Maßnahmen an seiner Partnerin beitragen kann. Die wenigen Möglichkeiten sowohl zur Diagnostik als aber insbesondere auch zur Behandlung der Zeugungsfähigkeit des Mannes stehen in keinem Verhältnis zu den Möglichkeiten, die heutzutage einer Frau angeboten werden. Im Vergleich erscheinen sie wenig. Und all den Maßnahmen an seiner Partnerin steht er obendrein recht hilflos gegenüber. Weder erhält er Hilfe, noch kann er selbst helfen. Welch eine Zwickmühle das ist!
Liebe Frauen, eine solche Situation liegt unseren Männern nicht wirklich. Im Grunde ihres Herzens sind sie doch alle unsere Lancelots, die am liebsten mit ihren Schwertern losziehen möchten, die Genervas an ihrer Seite zu beschützen, zu verteidigen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen und vor allem: Sie glücklich zu machen. Vollkommen glücklich. Zu dieser Vollkommenheit des Glücks gehört ganz normalerweise auch ein gemeinsames Baby. Und genau dies gönnen sie uns aus ganzem Herzen.
Doch anstatt ihrem reizenden Tatendrang zu entsprechen, und sich im Dienste der Geliebten auf den Weg zu machen, sind sie gezwungen in eine Tatenlosigkeit, die nicht ihrem Wesen entspricht: Sie ertragen die oftmals niederschmetternde Diagnose einer unzureichenden Spermienqualität und müssen dann zuschauen, wie die erhoffte Hilfe dann von einem zumeist männlichen Gynäkologen angeboten wird.
Tatenlos sein- das tut vielen unserer Männer nicht gut. Emotionale Probleme meistern- das ist nicht aller Herren Lieblingsgebiet. Sich auf den Weg machen und sich Hilfe holen- nicht unbedingt ihre Art. Alternative Heilmethoden hinzuziehen- das fällt für viele Männer in das Resort der Frauen. So sind viele von ihnen in dieser Situation überfordert und auch gefangen.
Ihnen möchte ich diese Seiten widmen. Für ihre Gefühle möchte ich sensibilisieren. Und ihnen möchte ich Mut machen: Ich möchte Wege und Möglichkeiten aufzeigen, vielleicht doch etwas tun zu können. Dafür berichte ich hier gerne aus dem Nähkästchen meiner Kinderwunsch-Praxis.
herzlich,
Ihre Birgit Zart