Seit 25 Jahren bin ich Heilpraktikerin und vom Anbeginn meines beruflichen Werdeganges stand die Fruchtbarkeit der Frauen im Mittelpunkt meiner Arbeit. Damals gab ich Seminare zu Themen „Frau und Fruchtbarkeit“, es gab „Frauensamstage“ und regelmäßige „Kinderwunsch- Frauengruppen“. Das war zu einer Zeit, als es noch keine Kinderwunschzentren gab, und für die gewöhnliche Frau auch nicht die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung. Einige der Frauen bekamen Kortison-Therapien von ihren Gynäkologen, andere vielleicht ein Paar Hormone, doch gab es keine einheitliche Vorgehensweise der Gynäkologen, mit der sie den Frauen so wie heutzutage zur Seite stehen konnten. Und wenig Möglichkeiten. Im Grunde kamen sie mir hilflos vor. Und die Frauen noch verzweifelter als heute, denn für sie standen nicht all diese Möglichkeiten zur Verfügung, die heute für sie zur Verfügung stehen. Es war vielmehr so, dass der Gynäkologen und Patientinnen gemeinsam auf das „Wunder“ Wunschkinder warteten. Viel hilfloser und tatenloser, als heute. Viel einsamer, als heute. Unerkannter und unverstandener. Und das fühlte sich an, wie eine unsichtbare Erstarrung. Das war, als hätte in einem unsichtbaren Lebensbereich einer Frau eine Art gefühlsmäßiges Vakuum gebildet, in dem es nur spärlich Hilfe und anstatt einer Perspektive nur Hoffnung gab.
Zu dieser Zeit entwickelte ich die ersten Ansätze einer alternativen Kinderwunschtherapie. Dies zu tun war nur folgerichtig, da für die betroffenen Frauen ja keine anderwärtigen Hilfen zu erwarten waren.
Erst mit dem Aufkommen und der Verbreitung der künstlichen Befruchtung auch für den Normalverbraucher änderte sich das. Endlich gab es Möglichkeiten, einen Kinderwunsch aktiv zu unterstützen, es wurden einheitliche Therapien entwickelt und angeboten, es kam Bewegung ins Ganze und viel Hoffnung.
Meine „alternative Kinderwunsch-Therapie“ erweiterte sich, in dem sie auch die medizinisch assistierte Empfängnis unterstütze und begleitete. Es war komfortabel, aus mehreren Möglichkeiten des Handelns auszuwählen, sie zu ergänzen oder sogar abzuwechseln. Ja, heute sind wir sogar soweit, stellenweise schon präventiv zu arbeiten, das bedeutet, dass sich Paare bei mir vorstellen, die erst später einmal schwanger werden möchten, dafür aber heute schon alles in die richtigen und gesunden Bahnen bringen möchten. Vielleicht stehen wir am Beginn einer Kinderwunschprophylaxe? Fast sieht es so aus- und das ist der Königsweg eines Gesundheitssystems: Nicht nur zu heilen, sondern Gesundheit zu erhalten.
Welch ein guter und vernünftiger Weg das in den letzten 25 Jahren doch war! Und zwar nicht nur wegen der sich entwickelnden Vielfältigkeit an Möglichkeiten, sondern auch noch aus einem anderen Grund: Schon lange besuchen mich nicht nur die Frauen, sondern Paare. Während anfangs die Männer schlichtweg zuhause blieben, begleiten sie heute Ihre Frauen. Das ist nicht nur bei den Geburten so, sondern auch auf den verschiedenen Wegen zum Kind. Die Partner, also die Männer sind schon seit langer Zeit in die Therapie mit einbezogen, anders kann ich es mir gar nicht mehr vorstellen. Und anders macht es ja auch keinen Sinn.
Das bezieht sich aber zum heutigen Zeitpunkt nur auf meine Praxis und auf die alternative Kinderwunschtherapie. Die Kinderwunschzentren aber stehen der Begleitung und vor allem auch der Behandlung des Mannes aktuell noch recht hilflos gegenüber. Fast erinnert mich das an die Anfänge der Behandlung der Frauen. Auch hier begann man ja so: hilflos. Das darf und wird nicht so bleiben.
Tag für Tag erlebe ich in meiner Praxis Männer und Partner, die ihre Frauen zu mir begleiten, die aus vollem Herzen ihre Frauen unterstützen, und die es bei mir dann doch aber erstmalig erleben, dass auch sie selbst mein Augenmerk erhalten, sie selbst mit in die Betrachtung und vor allem auch in die Behandlung stets mit einbezogen werden.
Das Einbeziehen der Männer in der Kinderwunschtherapie ist ein Muss. Doch findet sie üblicherweise noch nicht statt, weil es- ähnlich, wie damals auch bei den Frauen- noch keine einheitlichen Therapien für sie gibt. Heute sind sie es womöglich, die sich so fühlen, wie die Frauen vergangener Zeiten: Einsam und hilflos, vor allem ohne Hoffnung auf Heilung ihrer angeblichen eingeschränkten Zeugungsfähigkeit.
Also gehe ich gerne wieder voran.
In den letzten Jahren haben wir hier in unserer Praxis erfolgreich Männer nicht nur therapiert, sondern vor allem auch emotional auf ihrem Weg zum Kind unterstützt. Solange eine medizinische Unterstützung, (und damit meine ich eine wirkungsvolle!) nicht in Aussicht steht und salonfähig ist, ist der komplementär-medizinische Ansatz ja zunächst einmal überhaupt ein Ansatz.
Von ihm möchte ich ihnen berichten. Ich möchte ihn meinen Kollegen und allen interessierten Menschen als einen ersten Schritt der Hilfe an die Hand geben. Ich möchte ihn den Männern an die Hand geben und ihnen so auch helfen, ihre Situation und vor allem die Diagnostik besser einschätzen zu können, so dass sie selbst entscheiden können, ob, wann und vor allem wir sie einen therapeutischen Schritt gehen möchten.
Birgit Zart 2010